Trade Far East – Nodeuropa: Raten explodieren
Seefrachtenflash: Stellplätze für den Höchstbietenden
Die Verhältnisse in der Containerschifffahrt werden für Kunden immer anstrengender: in Asien massive Container- und Stellplatzengpässe und steil steigende Raten – in Europa Leercontainer und Laderaum satt, aber dafür Engpässe und lange Wartezeiten in den Terminals.
Hafen Shanghai: Die Frachtraten auf der Route zwischen Shanghai und Rotterdam sind vorige Woche im Vergleich zur Vorwoche um 12 Prozent auf 4.172 USD/FEU gestiegen. (Foto: iStock)
21. Mai 2024 (aktualisiert am 21. Mai 2024, 13:05 Uhr) | von Michael Hollmann
Für Verladungen von Fernost Richtung Europa und auch Richtung Nordamerika setzten die Frachtraten ihren Höhenflug kurz vor Pfingsten fort. Im Zuge weiterer Tarifanhebungen (GRI) seitens der Carrier zur Monatsmitte zog der Shanghai Index SCFI am Freitag (17. Mai) weiter um 9 Prozent auf gut 2.520 Punkte an. Er übertrifft den vorherigen Jahreshöchststand von Mitte Januar inzwischen um mehr als 10 Prozent.
Das Ratenniveau für Buchungen von Fernost nach Nordeuropa kletterte laut SCFI um 6 Prozent auf 3.050 US-Dollar/TEU. Der World Container Index (WCI) verzeichnete beim Preis für die Verladung eines 40-Fuß-Containers von Shanghai nach Rotterdam hingegen einen Sprung um 12 Prozent auf 4.172 Dollar/FEU.
Aus Speditionskreisen ist zu hören, dass die Indizes der Marktentwicklung hinterherhinkten. Demnach werden für prompte Verladungen in zwei bis drei Wochen bereits satte Aufschläge gezahlt – über 6.000 Dollar/FEU wurden schon verzeichnet, wie ein Hamburger Spediteur berichtet. Die Ratenbildung nehme langsam eine Struktur an wie zu Pandemiezeiten. Zwar sind Abfahrten von Fernost nach Europa offiziell auf Wochen ausgebucht. Hier und da machten Carrier aber trotzdem Equipment und Stellplätze verfügbar, die sie zu „Premium-Raten“ anböten, ist zu hören. Selbst dann müssten sich Kunden aber noch beeilen und ihre Trucker direkt zu Betriebsbeginn in die chinesischen Depots schicken – sonst könnten ihnen die Boxen vor der Nase weggeschnappt werden.
Die Engpässe führten laut Flexport vergangene Woche dazu, dass die durchschnittlichen Laufzeiten im Fernost-Europa-Verkehr ab Werk/Lager bis zur Abholung vom Empfangshafen weiter auf 62 Tage anstiegen.
Noch größere Sprünge machten die Frachtraten in Fernost vergangene Woche im Transpazifik-Trade. Buchungen von Shanghai zur US-Westküste verteuerten sich laut SCFI um fast 15 Prozent auf 5.025 Dollar/FEU, von Shanghai zur US-Ostküste um 8 Prozent auf 6.026 Dollar/FEU. Anders als in Europa wächst die Importnachfrage in den USA wieder stärker. Der nationale Einzelhandelsverband NRF rechnet in den kommenden Monaten mit Spitzenwerten von über 2 Millionen TEU pro Monat bei beladenen Importcontainern. Vor diesem Hintergrund peitschen die Carrier weiter im Zweiwochenrhythmus Ratenerhöhungen von 1.000 bis 2.000 Dollar/FEU durch.
Völlig anders die Lage in Westeuropa
In den Containerdepots entlang der Nordrange türmt sich so viel leeres Equipment auf, dass die Linien bald Schiffe nur für deren Rückführung nach China einchartern dürften, berichten Schiffsmakler. Das Angebot für Exporteure ist so groß, dass die Frachtraten für Verschiffungen nach Fernost immer tiefer in den Keller rauschen. „Das geht zurück zu früheren Tiefständen“, so ein Spediteur.
Indizes zeigen noch Raten von 500 bis 600 Dollar/FEU für Buchungen von Nordeuropa nach Fernost an, tatsächlich soll das Niveau in vielen Fällen nicht einmal mehr halb so hoch liegen. Grund zur Freude haben Exporteure trotzdem nur bedingt. Denn die Dumpingraten für Fracht werden zunehmend durch höhere Trucking- und Lagerkosten mehr als aufgewogen.
So hat sich die Lage in den Terminals in Hamburg und in Rotterdam aufgrund einer Ballung von Schiffsankünften, Infrastrukturengpässen und Produktivitätsproblemen kurzfristig zugespitzt. Am Eurogate-Terminal und auch am Burchardkai, wo ein neues Terminalsteuerungssystem eingeführt wird, seien die Wartezeiten für Lkw und Züge in der ersten Monatshälfte stark angestiegen, beklagen lokale Dienstleister.
Große Container-Trucking-Firmen sollen ihre Kunden über deutliche Preiserhöhungen für Touren zu den Hamburger Terminals informiert haben, weil ihnen die Kosten aufgrund der Wartezeiten aus dem Ruder laufen. Gegenüber der DVZ teilte der Terminalbetreiber HHLA mit, dass sich die Lage bereits wieder entspannt habe. „Aktuell läuft der Betrieb am Burchardkai an allen Verkehrsträgern stabil“, sagte eine Sprecherin am Freitag. (cs)