Seefrachtraten auf Höchststand

Seefrachtenflash: Raten auf neuem Jahreshöchststand
Als Folge der jüngsten Ratenanhebungen beschleunigt sich die Buchungsaktivität auf dem Markt. Demnach sind Kunden bemüht, so viel Ladung wie möglich noch unter günstigeren Kontraktraten zu verschiffen, was die aktuelle Auslastung der Schiffe weiter nach oben treibt. Abfahrten aus Fernost heraus nach Europa sollen inzwischen auf mehrere Wochen ausgebucht sein.

Die Schiffe auf dem Weg von Fernost nach Europa sind momentan voll, und Abfahrten sollen für mehrere Wochen ausgebucht sein. (Foto: picture alliance / empics | Joe Giddens)
13. Mai 2024 | von Michael Hollmann
Der Ratenauftrieb am Seefrachtmarkt beschleunigt sich. So ist das Preisniveau für Verladungen aus Fernost heraus nach den jüngsten Tarifanhebungen (GRI) laut Shanghai Index auf einen neuen Jahreshöchststand geklettert. Das Marktbarometer, das die Spotraten für 13 Relationen ex Shanghai abbildet, machte Ende vergangener Woche einen Sprung von fast 19 Prozent auf über 2.305 Punkte. Damit wird der bisherige Höchststand von 2.239 Punkten Mitte Januar deutlich übertroffen.

Die jüngsten Steigerungen verteilen sich einigermaßen gleichmäßig. Auf den Rennstrecken von Fernost nach Nordamerika sowie nach Europa legten die Indexraten zwischen 19 und 25 Prozent zu. Für Buchungen zu den europäischen Nordrange-Häfen wird das durchschnittliche Spotniveau jetzt auf 2.869 Dollar/TEU taxiert. Beachtliche Zugewinne verzeichnen die für den SCFI befragten Linienagenten und Logistiker auch in den kleineren westgehenden Trades von China nach Afrika und zur Ostküste Südamerikas. Dort werden inzwischen Raten verzeichnet wie seit rund 18 Monaten nicht mehr.

Jüngste Ladungsdaten für März und Einkaufsmanagerindizes für April zeichnen ein leicht positives Bild für die Transportnachfrage. Aus dem Markt ist zu hören, dass sich die Buchungsaktivität im Zuge der jüngsten Ratenanhebungen noch beschleunigt hat. Demnach sind Kunden bemüht, so viel Ladung wie möglich noch unter günstigeren Kontraktraten zu verschiffen, was die aktuelle Auslastung der Schiffe weiter nach oben treibt. Abfahrten aus Fernost heraus nach Europa sollen inzwischen auf mehrere Wochen ausgebucht sein, frühestens im Laufe des Junis wird mit einer Entspannung gerechnet. Ob es so eintrifft, bleibt abzuwarten. Denn die saisonal starken Monate beginnen erst jetzt – im Intra-Asien-Geschäft und danach im Export nach Europa und Nordamerika. Alle Indikatoren weisen darauf hin, dass die Container-Linienschifffahrt mit ihrer Kapazitätsauslastung wieder am Anschlag ist, vor allem weil die langen Umwege um das Kap der Guten Hoffnung aufgrund der Krise in Nahost so viel mehr Laderaum binden.

Maersk warnte unlängst, dass die veränderte Routenführung gepaart mit Verzögerungen und Abfertigungsengpässen in den Häfen dem Asien-Europa-Verkehr im zweiten Quartal 15 bis 20 Prozent der gesamten Stellplatzkapazität rauben könnten. Zusätzliche Schiffe lassen sich kaum mehr mobilisieren. Und wenn, dann nur zulasten anderer Fahrtgebiete. Nach der letzten Aufliegerstatistik von Alphaliner herrscht im Flottensegment der Containerschifffahrt weiter Vollbeschäftigung. Ein zusätzliches Problem ist, dass der Ausbau der Flotten durch Neubauten langsamer als geplant voranschreitet. Laut dem Maritime-Overview-Report der Hamburger Reederei Peter Döhle lieferten die asiatischen Werften in den vergangenen sechs Monaten 86 Containerschiffe von zusammen fast 460.000 TEU weniger als geplant aus. Damit verschiebe sich die Fertigstellung bei mehr als jedem vierten Neubau. Im Hause Döhle vermutet man, dass die Werften bei dem Bestellboom der vergangenen zwei Jahre ihre Kapazitäten überreizt haben.

Freilich könnte sich das Blatt schlagartig umkehren, wenn es eine politische Lösung im Gaza-Konflikt gibt und die Huthi-Rebellen im Jemen ihre Raketenangriffe auf die Handelsschifffahrt im Roten Meer einstellen. Die Aussicht auf eine schnelle Normalisierung der Lage verbunden mit der Rückkehr von Liniendiensten auf die Suez-Route wird aber immer kleiner. Die Carrier rüsten sich selbst immer langfristiger für eine Fortsetzung der Umleitungen. Das lässt sich auch an veränderten Charterstrategien erkennen. Trotz des massiven Anstiegs der Charterkosten nehmen die Linien Mietschiffe inzwischen häufig für zwei Jahre unter Vertrag, teilweise erst mit Anlieferung weit in der zweiten Jahreshälfte. Diese Tonnage können sie nicht mehr kurzfristig abschütteln, selbst wenn die Liniendienste zum alten Modus Operandi zurückkehren und viele Schiffe überflüssig werden. (alb)