Höhepunkt bei Fernostraten scheint überschritten

Die in der Vorwoche zu beobachtende Seitwärtsbewegung geht jetzt in erste Korrekturen bei den Frachtraten über. Marktteilnehmer bestätigen, was auch die Indizes anzeigen. Demnach haben die Preise vor allem im westgehenden Verkehr aus Fernost heraus nachgegeben.

Dem Vernehmen nach halten sich die Platzengpässe in den chinesischen Haupthäfen aktuell in Grenzen – zumindest für die diejenigen, die die höheren Raten und Zuschläge akzeptieren. (Foto: IMAGO / NurPhoto)

29. Januar 2024 | von Michael Hollmann (DVZ)

Es ist zwar kein Einbruch, dennoch sind die Einbußen unverkennbar. Laut dem Shanghai Index SCFI sanken die durchschnittlichen Spotfrachten für Verladungen von Shanghai nach Nordeuropa und den Mittelmeerraum vergangene Woche um 5,6 und 4 Prozent auf 2.861 beziehungsweise 3.903 US-Dollar/TEU. Damit scheint der Höhepunkt bei den Raten schon im Vorfeld der für die nächsten zwei Wochen erwarteten Zuspitzung der Stellplatzengpässe in Fernost überschritten worden zu sein.

Viele Versand- und Logistikleiter dürften damit schon mal erleichtert sein, die früheren Spitzenpreise während der Corona-Pandemie wurden nicht annähernd erreicht. Bis zu 6.000 Dollar/FEU sollen im Fernost-Europa-Trade zur Monatsmitte gezahlt worden sein, inzwischen tendiere das Spot-Level Richtung 4.000 Dollar zurück, ist aus Agenturkreisen zu erfahren.

Bei den Raten mit kürzeren Laufzeiten bis zu 31 Tagen verzeichnet die Benchmarking-Plattform Xeneta eine Stabilisierung bei rund 4.800 Dollar/FEU. Dem Vernehmen nach halten sich die Platzengpässe in den chinesischen Haupthäfen aktuell in Grenzen – zumindest für die diejenigen, die die höheren Raten und Zuschläge akzeptieren, nicht aber für Kontraktkunden mit wesentlich niedrigeren Altraten, wie es heißt.

Indessen dürfte der Ladungsdruck in China kurz vor Beginn der Neujahrsfeiertage schon ab nächster Woche etwas nachlassen. Ab dann wird es für die Carrier wohl nur noch um eines gehen: den zu erwartenden Rückgang bei den Raten so weit wie möglich in die Länge zu ziehen. So ist allen Marktteilnehmern klar, dass die den Umwegen um das Kap der Guten Hoffnung geschuldeten Lücken bei den Schiffsabfahrten sehr schnell in geplante „blank sailings“ umschlagen werden.

Laut der Beratungsfirma Drewry fallen im Zeitraum zwischen Kalenderwoche 4 (22. Januar) und 8 (25. Februar) insgesamt 14 Prozent aller Schiffsabfahrten in Asien aus. Gleichzeitig schwappt die Welle der Schiffsneubauablieferungen in Fernost immer höher. Die Zahl der neu in Fahrt gehenden Frachter tendiert dieses Jahr gegen 500, irgendwann macht sich die Entlastung bemerkbar.

Der Appetit auf Kapazität unter den Linien ist aufgrund der stark gestiegenen Frachtraten zunächst aber noch weiter gestiegen. So melden Schiffsmakler derzeit hohe Aktivität im Chartermarkt, wo alles flottgemacht wird, was schwimmen kann. Während die großen Top-10-Carrier hauptsächlich Schiffe suchen, um ihre wöchentlichen Abfahrten einhalten zu können, benötigen andere die Hardware, um erst einmal Fuß zu fassen.

Wie schon während der Pandemie lockt die Aussicht auf hohe Spotumsätze Newcomer auf den Plan – vor allem auf der Route von Asien ins Rote Meer und das Mittelmeer. Dort werden aktuell die höchsten Raten erzielt und auch die höchsten Profite – zumindest dann, wenn die Schiffe weiterhin die Abkürzung durch das hochriskante Nadelöhr des Bab al-Mandab nehmen.